Das Grundgesetz, wie es leibt und lebt. (Auszug)

Kleiner Katechismus zur Verfassungswirklichkeit

 

Artikel 1:

Die Würde des Menschen, insbesondere des Rechtsbrechers sowie des Angehörigen einer ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheit ist unantastbar. Sie zu achten und zu fördern, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Artikel 2:

Jeder Demokrat hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, solange er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen den demokratischen Konsens verstößt.

Die Eigenschaft des Demokraten darf nur aufgrund eines Gesetzes oder des allgemeinen Konsenses der Demokraten abgesprochen werden.

Artikel 3:

Alle Menschen, die vom Konsens der Demokraten umfasst sind, sind vor dem Gesetz gleich.

Artikel 4:

Die Freiheit zur Beschmutzung des christlichen Glaubens, des Gewissens, des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet, sofern es sich um religiöse Minderheiten handelt und darf nicht diskriminiert oder kritisiert werden.

Artikel 5:

Jeder hat das Recht, die Meinung der Regierung oder der Medien in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.

Diese Rechte finden ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen und dem Konsens der Demokraten.

Artikel 6:

Die Zerstörung der Ehe und der Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.

Artikel 7:

Ausgelassen (Schulwesen)

Artikel 8:

Alle Demokraten haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Artikel 2, Absatz 2 gilt entsprechend. Näheres regelt der Verfassungsschutz.

Artikel 9:

Alle Demokraten haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Artikel 2, Absatz 2 gilt entsprechend.

Artikel 10:

Das Briefgeheimnis, sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich, soweit nicht zu befürchten ist, dass es der Bekämpfung des Terrorismus oder des politischen Radikalismus im Wege steht.  

Artikel 11 – 12a:

Ausgelassen (Freizügigkeit, Berufsfreiheit, Dienst- und Wehrpflicht usw.)

Artikel 13:

Die Wohnung ist unverletzlich, sofern nicht zu befürchten ist, dass sie von Personen, die des Terrorismus oder des politischen Radikalismus verdächtig sind, missbraucht wird.

Artikel 14 – 17:

Ausgelassen (Eigentum, Sozialisierung, Asyl, Petitionen, Sonderregelungen für Soldaten)

Artikel 18:

Wer die in den Artikeln 5, 8, 9,10 14 oder 16a aufgeführten Grundrechte zum Kampfe gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen. Falls der Konsens der Demokraten dies erfordert, muß es die Verwirkung aussprechen.

Artikel 19:

Sofern nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten, sofern es nicht der Bekämpfung des Terrorismus oder des politischen Radikalismus dient. 

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Gerichtstag

Wohl an des stolzen Rechtes Herrlichkeit Es kommt mit einem lauen Lächeln breit Voll des Glaubens an das Menschen Gute Herr Richter grüßt Frau Staatsanwalt beschert Gerechtigkeit geballt Grundgesetz und Mitgefühl im Blute Man nimmt Platz am Pulte bieder „Bitte setzen Sie sich nieder“

Der erste Delinquent erbrach ein Haus
Er schaffte Hab und Gut und Geld hinaus Doch der Rechtsstaat ruft hier nach Bewährung Der Schaden scheint uns eher klein
in solchem Fall muß Gnade sein Hofften Sie auf solcherlei Bescherung? Hebt Frau Staatsanwalt ihr Mieder
Bitte tun Sie es nicht wieder

Ein Mord dem zweiten wird zur Last gelegt „Dem Opfer haben Sie den Kopf zersägt Diese Tat war sicher keine Tugend Doch heute sind wir liberal Verbessern Sie ein letztes Mal Schwere Kindheit, ach und schwere Jugend“ Senkt der Richter seine Lider
„bitte tun Sie es nicht wieder“

Dann kommt ein Mann, der gerne Kinder fing und lüstern ihnen an die Leiber ging Schrecken faßt die Mütter und die Väter für Menschenwürde das Gericht
die Seelen ihrer Liebsten bricht
Milde für den Wiederholungstäter Trübe blickt der Richter nieder
Bitte tun Sie es nicht wieder

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Die Ameise

Es ist Samstag, der 21. Juli 2007. Heute wurde mir endgültig klar, dass ich eine Ameise bin, und zwar nicht wie Gregor Samsa infolge einer Verwandlung in Kafkas gleichnamiger Erzählung, sondern immer schon, von Anfang an. Ich bemerktes es, als ich bei Beginn der Lektüre von E.T.A Hoffmanns „Klein Zaches genannt Zinnober“ vom Hölzchen aufs Stöckchen kam, da und dort etwas zum Hintergrund nachlas, über eine kleine Abhandlung über die Idee der Ironie der Romantik stolperte und schließlich bei einem allgemeinen Literaturlexikon endete. Von alldem hatte ich bisher wenig, um nicht zu sagen „nichts“ gehört. Hier fiel mir wieder einmal die Schmalspurigkeit der sogenannten universitären Ausbildung auf. Als Volljurist (und in anderen Fächern ist es nicht besser, in der Wirtschaftswissenschaft am schlimmsten) bist Du ein kleines Holzböckchen, ein Subsumtionsautomat, das nach zwei Staatsexamina die stupide Rechtsanwendungstechnik beherrscht, wie der Automechaniker den Reifenwechsel. Daran ändern auch Doktorgrad und Fachanwaltschaft nichts. Ich werde bei dem Gedanken wütend, dass sie an der Uni nichts über die Seele des Rechts vermitteln, nichts über den sittlichen Gehalt der Freiheit, nichts über die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus. Es wird kein Feuer in den Studenten gelegt. Du hörst nichts von Kant und Hegel, geschweige denn von Fichte oder gar Savigny; auf Carl Schmitt und Hermann Heller geben sie – wenn überhaupt – Hinweise. Die Rechtsphilosophie wird mit der Staatslehre und der Verfassungsgeschichte in die Nische der Weltfremdheit abgeschoben, während die Experten des Wirtschaftsstandortes Deutschland im Fernsehen oder bei welcher Gelegenheit immer dreist genug sind, von der Universität mehr Praxistauglichkeit zu verlangen. Über den Tellerrand hinauszuschauen, ist unökonomisch und wohl auch nicht geil.

Ein studium generale gar, das Deinen Horizont systematisch erweitern könnte, bleibt Dir an der Hochschule selbst überlassen und ist in meinem Fall, ich gebe es zu, in den Annehmlichkeiten des Marburger Studentenlebens versackt. So sitze ich Ameise also seit einigen Jahren in meinem Trichter der deutschen Geistesgeschichte und versuche an Höhe zu gewinnen. Und mit jedem kleinsten Schrittchen, das mir mühevoll gelingt, wird nur der Trichter breiter. Es ist der Trichter des Nichtwissens.

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Schwarze Kleidung – weiße Haut

Wir kennen es alle zur Genüge: den 20 jährigen Türken, der mit den quietschenden Reifen seines tiefergelegten 3er BMW in der zweiten Reihe parkt, Scheibe herunter- und Lautersprecher heraufgedreht, die Matronen, die sich, bis unter die Achseln verschleiert, durch unsere Städte schieben, den Albaner mit dem kreuzehrlichen Gesichtsausdruck, die außereuropäische Großfamilie, die beim ersten Sonnenstrahl mit ihren Horden in den Stadtpark einfällt, um dort auf dem stinkenden Grill ihr geschächtetes Fleisch zu garen. Wer verspürt angesichts dieser geballten Überfremdung nicht einmal den Wunsch einer Erholung, ja einer Kur in Sachen Volkstum? Die kann er am Pfingstwochenende in Leipzig finden. Dort versammeln sich jedes Jahr etwa 20000 sogenannte „Gothics“ zum Wave Gotik Treffen. Dieses etwas bizarr anmutende Festival der schwarzen Musik ist ein Kristallisationspunkt einer Subkultur, die bei näherer Betrachtung zahlreiche Elemente, die durchaus als Gegenkultur zum global amerikanisierten way of live angesehen werden können, enthält. Es bildet darüber hinaus die Gelegenheit, alte Freundschaften aufzufrischen und neue zu gründen.

Die Musik dieser Szene ist von einer schier unübersehbaren Bandbreite, angefangen von mittelalterlicher Instrumentalmusik bis zu hardcore- Elektronik. Die Melodien und selbst die härteren Rhythmen haben düstere, mystische Klänge, sind oft melancholisch beschattet. Über die Hälfte der Bands singt auf deutsch. Verschiedentlich hört man auch Lieder in lateinischer oder schwedischer Sprache, ein Teil ist englisch. Neben den üblichen Synthezisern und Elektronikinstrumenten werden alte Instrumente, wie Dudelsack, Querflöte und Geige eingesetzt. Sie spielen dann zu Punk und Metal auf. Die Mischung mittelalterlicher Melodien und moderner Klänge ergibt eine kaum zu beschreibende Symbiose, die eine gleichzeitig mitreißende und sehnende Stimmung erzeugt.

Die Texte handeln vielfach von tiefgründigen Themen, es werden Fragen vom Sinn und Unsinn des Lebens, von Bestand und Vergänglichkeit gestellt, der Existenz selbst nachgespürt, so etwa wenn die Gruppe subway to sally in dem Stück „Zu spät“ singt:

Nichts wiegt mehr viel in dieser Zeit der Narren und der Toren
nicht mehr als hätt ein müder Strauch ein Blatt verloren

die Blätter falln, wer heute schreit ist morgen schon gewesen
die Zeile, die mein Leben schreibt wird niemand lesen

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Rashwan Selahwah

Rashwan Selahwah spielte Fußball. Nicht überragend, aber besser als der Durchschnitt. Immerhin so gut, dass er es wagen konnte, im Profifußball sein Auskommen zu suchen. Am Tag seines 18.Geburtstages trat er in die Dienste eines Zweitligavereins. Unter großer Anteilnahme der örtlichen und überörtlichen Medien wurde er als hoffnungsvolles Talent gepriesen, von dem in der Zukunft noch mancherlei zu hören sein werde. Und in der Tat, es dauerte nicht lange, da erhielt er einen Anruf von einem Scout des Verbandes. Er möge sich zu einem Sichtungslehrgang der sogenannten Nationalmannschaft einfinden. Er fand sich ein und spielte Fußball. Vor den Augen der Scouts, der Nachwuchstrainer, der Krafttrainer, des Teammanagers, der Masseure, der medizinischen Abteilung, des Verbandspräsidenten Friedewald Biegeleicht und des Vorsitzenden des Zentralen Rates, Isidor Mundgeruch. Er spielte nicht überragend, aber das war unerheblich. Im Fußball geht es nicht darum, dass das Runde ins Eckige kommt. Fußball hat eine gesamtgesellschaftliche Funktion. Die Völker der Welt sollen sich bei uns angekommen fühlen, sollen erleben, nicht nur in hohen Phrasen hören, dass sie hier willkommen sind. Interkulturelle Ausstrahlungskraft, Weltoffenheit, gelebte Vielfalt ist die vornehme Botschaft, die der Fußball verkünden soll. So kam man überein, Rashwan Selahwah als Deutschen anzusehen und ihn dieserhalb mit dem Ausweis der bunten Republik auszustatten. Unter großer Anteilnahme der örtlichen und überörtlichen Medien wurde er als Hoffnungsträger der Kampagne „Du bist Deutschland“ gepriesen, von dem man noch viel hören werde. Der Präsident Friedewald Biegeleicht und der Vorsitzende Isidor Mundgeruch hielten gemeinsam einen erhobenen Daumen in die Kamera, und Rashwan Selahwah zeigte verschämt die Plastikkarte mit dem Bundesadler.

Von da an spielte er Fußball – für die bunte Republik. Er brachte mit seiner dunklen Hautfarbe den so lang ersehnten Farbtupfer in die graue Langeweile der weißen Trikots – und Feuchtigkeit auf die Stirnen der weiblichen Moderatorinnen. Aber weil es im Fußball manchmal doch darum geht, das Runde ins Eckige zu bringen, spielte er zunächst nicht in der A-Nationalmannschaft, sondern in der U 21. Doch die U 21 ist nicht geeignet, um die große Botschaft des Fußballes auf die Schirme der Welt zu zaubern. Die Botschaft der interkulturellen Kompetenz, des Wagemutes gegen Rassismus, Sexismus, gegen Diskriminierung und Ausgrenzung verbreitet – und vermarktet – sich schlecht mit einer Mannschaft aus der zweiten oder gar dritten Wahrnehmungsreihe

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