Abendbläue

Das Buch Abendbläue besteht aus sechzig Kapiteln, die in sich abgeschlossen sind, aber durch einen roten gedanklichen Faden verbunden werden. Dabei handelt es sich um die seit 1945 herrschende Verneinungsmentalität, die sich in der Abkehr vom Gemeinschaftlichen, Religiösen, Staatlichen, Metaphysischen und Schöpferischen widerspiegelt. Ich habe sie die Mentalität der Stunde Null genannt; das Buch behandelt sie und die mit ihr einhergehende Typologie.


Zum Inhalt:
Ausgangspunkt ist der reduktionistische Ziffernmensch, der einem einseitigen, ökonomischen Liberalismus verhaftet ist. Er hat das Göttliche und das Übermaterielle aus seinem Leben gestrichen. Hierzu bedient er sich des Kunstgriffes einer falsch verstandenen Menschenwürdedogmatik. Sie ist im Kern eine Anspruchslehre, die dem Einzelnen Leistungsrechte gegen die Allgemeinheit verschafft und in einem zerstörerischen Individualextremismus endet. Es wird gezeigt, dass solches Gedankengut weder natürlich ist, noch sich auf Immanuel Kant zurückführen lässt, noch mit dem Begriff des Rechts kongruiert. Denn Recht kann sinnvollerweise nur im Gleichklang mit Pflichten und damit als Gemeinschaftskategorie verstanden werden. Wer die Gemeinschaft sprengt, beseitigt damit auch das Recht.
Dieses Anspruchsdenken zeitigt diverse Erscheinungen. So korrespondiert ihm im Gesellschaftlichen die Entpflichtung (Titel eines Kapitels) und im Politischen die Verheißung. Sie reduziert den Parlamentarismus zu einer Ansammlung von Wahlversprechen und zerstört seine Funktion als Raum der Suche nach der volonte generale im Sinne Rousseaus.

Diese allgemeinen Entwicklungen erhalten ihre spezifische Ausprägung durch den Verneinungsgeist in bezug auf die eigene Nation. Ihm wurde durch die Behauptung einer ontologischen Schuld des Deutschen, die in den Nürnberger Prozessen justitiell verankert wurde, der Boden bereitet, welcher durch eine freiwillige Unterwerfung maßgeblicher Kräfte der Intelligenz weidlich ausgenutzt wurde. Die Ergebnisse zeigen sich in allen Bereichen, die bei einem mental gesunden Volk die Kultur ausmachen, von der Literatur bis zum Bauwesen. Das Buch weist deshalb z.B. auf die gewollte Verweigerung des Erhabenen an signifikanten Beispielen auch der Nachkriegsarchitektur, bevorzugter Literaten usw. hin. Die Methoden (Deutungen, Begriffsverwirrungen, Lügen) und Rahmenbedingungen werden in ihren jeweiligen Kapiteln aufgezeigt. Schließlich wird eine Typenlehre entwickelt, die den Nutznießer, den Kapitulanten, den Resignanten, den Bürgerling als die Folgen und wiederum Ursachen einer geistigen Erschöpfung beschreiben, wie sie einzigartig in der Geschichte des Deutschen Volkes ist. Daneben wird gezeigt, welcher Typus unter diesen Bedingungen entwertet, bzw. ins gesellschaftliche Abseits gestellt wird (z.B. der Soldat).
Nachdem in angemessenem Umfang auf die möglichen Liquidatoren (Der Fremde) eingegangen wird, beschreibt das Buch in dem Charakter des Revolutionärs die Gestalt, die eine Umkehr aus der Sackgasse bewirken kann. Als geistige Basis wird ein sich selbst bejahendes, in klarer Unterscheidung zum Judentum stehendes, Christentum, sowie ein entmaterialisierter Freiheitsbegriff angeboten. In Anlehnung an Schopenhauer versteht er unter Freiheit die Fähigkeit, sich von den vegetativen Notwendigkeiten zu lösen und schöpferisch tätig zu werden. 

Das Buch hat essayistischen Charakter. Es soll keine buchhalterische Zusammentragung von Tatschen sein, sondern die Geisteshaltungen und Charaktere beleuchten und die Folgen ihres Seins im Sinne von Wenn-Dann-Schlussfolgerungen darstellen. Deshalb tauchen keine Fußnoten auf. Hinweise auf andere Denker werden im laufenden Text gegeben und dienen nicht als Fundstellennachweis, sondern als Anregung, sich mit den in bezug genommenen Werken auseinanderzusetzen.

Die Ausdrucksweise lehnt sich an den literarischen Expressionismus an. Sie soll provozieren und Denkanstöße vermitteln – der Anspruch auf unbedingte Wahrheiten wird nicht erhoben. Es geht um Effekte, die ein Problembewusstsein schaffen sollen. Insofern kann auf differenzierende Abwägungen und zwanghafte Objektivierung verzichtet werden. Eine sachgerechte Aufnahme setzt indes voraus, dass der Leser die Fähigkeit zur distanzierten und ironischen Wahrnehmung besitzt. Wer sich mit der moralisierenden Durchschnittseinstellung eines Zeit-Lesers dem Text nähert, wird daran keine Freude haben.
Das Werk hat einen streng formalen Aufbau. Neben den exakt sechzig Kapiteln finden sich sechs als Zwischenruf eingebaute Satiren. Durch Multiplikation erhält man die Zahl der Vollkommenheit und des Kreises : 360.
Das erste Kapitel steht mit dem letzten in einer dialogischen Spannung: von der Abendbläue führt der Bogen zum hohen Licht. Unterstrichen wird das von einem Eingangs- und einem Abschlussgedicht; Verlornes Volk – Drehende Winde. Um diese Form zu wahren, muss das Inhaltsverzeichnis hinten angefügt sein.
Diese Komposition und die bewusste Ausschöpfung der konstruktiven Vielfalt der deutschen Sprache und Grammatik, die beispielweise den Rahmungszwang beachtet, unterstreicht, dass sich der Text nicht nur als Sachdarstellung, sondern auch als Kunstwerk versteht.