Schwarze Fackel

Und ich hatte doch Recht!

Für einen Dichter mag dieser Satz befremdlich klingen. Als Anwalt muss ich ihn sprechen. Täglich. Ich lebe davon, Recht zu haben. Als Dichter lebe ich von der Kommunikation mit meinen Lesern, nicht von der Wahrheit meiner Thesen. In Zeiten der Dissidenz jedoch, in der die Minderwertigen die Sessel der Herrschaft okkupiert haben, sich der Bedürfnislose Elite nennt und der Schmutz definiert, was Schönheit sein soll, ist der Dichter gehalten, seine Werke auch einer Realitätskontrolle zu unterziehen, um in dem inszenierten Schund seine Maßstäbe zu wahren. Das gilt um so mehr, als die Zeiten sich darauf verstehen, den Abweichler, anstatt ihn unter dröhnendem Lärm zum Scheiterhaufen zu führen, durch Totschweigen zu liquidieren. Sie wissen um die Gefahr des Skandals. Was nicht ist, ist hingegen ungefährlich. Also sieht sich der Dichter oft ratlos im toten Meer der scheinbaren Nichtexistenz. Nur hin und wieder unterläuft den Zwergen ein Missgeschick, so geschehen am 13.07.2011 als  Petra Lehmann in der Neuen Rhein Zeitung ein zweitklassiges Pamphlet gegen die erste Fassung des Gedichtbandes zu Papier brachte, das, angereichert mit entstellten Zitaten, glaubte, die Niveaulosigkeit des Blattes mit inquisitorischem Eifer ausgleichen zu können. (Den Begriff Lügenpresse gab es seinerzeit noch nicht.) An solchen Vorfällen zeigt sich, dass ich so falsch nicht liegen kann.   So unterzog ich die im Jahre 2008 erstmals vorgelegte „Schwarze Fackel“ eines laufenden Controllings. Am Ende eines mehrjährigen Prozesses stand der Entschluss, sie in einer erweiterten und wesentlich veränderten Fassung neu aufzulegen. Denn ich habe nun einmal Recht damit, den Fremden darauf zu befragen, welches Motiv ihn in unser Land führt, anstatt ihm voraussetzungslos das Recht einzuräumen, einzuwandern und sich vom Steuerzahler finanzieren zu lassen, ich habe Recht damit, Minarett und Kopftuch als eine Metapher der Eroberung zu bezeichnen und ich habe Recht damit, seine kulturelle Fremdheit beim Namen zu nennen. Im Jahre hundert nach Verdun und Skagerrak, da die Rabenmutter dem Lande den Fluch der flutenden Flucht auf den Hals legte, erfüllte es mich geradezu mit Bitternis zu erkennen, wie sehr ich im Recht bin – auch und vor allem, weil die meisten der BRD-Bewohnlinge, welche von Deutschen abstammen, ihre sittliche und politische Erbärmlichkeit methodisch zelebrieren. An dieser Stelle ein Wort an die Kritiker der politischen Dichtung: Der Mensch lebt nicht nur der blauen Blume oder der sittlichen Vervollkommnung. Er befindet sich in sozialen Aggregatzuständen, die er nach dem proklamierten Selbstverständnis der Demopathen sogar mitgestalten können soll. Außerdem spiegelt sich das Identitäre eines Volkes, seine Seele usw. in diesen Zuständen. Jene volkhafte Eigenheit zu beschreiben, Verständnis für ihre Einmaligkeit, ihre Schönheit, ihren Bewahrungswert auf der einen, ihre Zerbrechlichkeit und Gefährdetheit auf der anderen Seite aufzuzeigen, ist zugleich das Wirken an ihr und für sie. Dem fühle ich mich verpflichtet, und beileibe nicht nur Heinrich Heine schritt mir insoweit voran: auch ein Ernst Moritz Arndt, ein Joseph von Eichendorff, ein Hans Venatier, sogar ein Theodor Storm und verschiedene andere stehen in der Ahnengalerie.

Weniger leicht als mit dem Stoff, tat ich mich mit der Stilistik. Schließlich entschied ich mich, der Ästhetik den Vorzug vor der Grammatik zu geben und auf Kommata und Semikola zu verzichten, was den positiven Nebeneffekt herbeiführte, dass die Gedichte schwieriger zu lesen sind. Die Ästhetik hat mich auch dazu bewogen, „ß“ und „ss“ nach Gutdünken einzusetzen. 

Bei den Reaktionen auf die erste Fassung verfestigte sich auch der Eindruck, wie sehr den Rezipienten die Fähigkeit abhanden gekommen zu sein scheint, Dichtung überhaupt zu verstehen. Ein Gedicht ist kein Parteiprogramm. Es enthält keine Dogmen, sondern Blickpunkte, Perspektiven. Ein von mir gern eingesetztes Stilmittel, um sie sichtbar zu machen, ist die ironische Zuspitzung. Deshalb liegen all diejenigen falsch, die mir etwa wegen des Stückes „Komasaufen“ lediglich Menschenverachtung unterstellen. Mit ein wenig Hintersinn sollte ihnen klar sein, dass die beschriebenen Figuranten die Täter sind, und ihre Verachtung der Schöpfung in der Tat meine Verachtung ihrer Existenz auf sich ziehen.
Der Mangel an Humor und spielerischer Selbstdistanz, zu dem der Deutsche seit alters her neigt, trägt das Seine dazu bei. Im Falle von Florian Schmitz aus Düsseldorf schlug er sich im September 2010 wie in einem Prisma nieder: Bei der Lektüre des Gegentums, dessen Pointe er nicht erfasste, wechselte in Sekundenschnelle nicht nur seine Gesichtsfarbe, sondern seine gesamte Mimik, seine Befaltung und, wie ich mich zu erinnern vermeine, auch seine Frisur, so dass ich glaubte, von einem Augenblick auf den anderen einen anderen Menschen vor mir zu haben. Und wenn ein Leser nicht in der Lage ist zu erkennen, was es bedeutet, wenn es in der Zeile heißt „ich verabscheue Eure Menschenrechte“ anstatt „ich verabscheue die Menschenrechte“, wenn er weiter diese Sentenz in keinen Zusammenhang mit der ins Visier genommenen Gottlosigkeit herstellen kann, wird er auch nicht ermessen, dass ich hier nicht dem Prinzip Hass im allgemeinen das Wort rede, sondern die falschen Propheten, für die der Begriff Menschenrecht nur eine scheinheilige Phrase ihres Machterhaltes darstellt, zum  konkreten Feind erkläre.
Ich bedauere, dass es im Land der Dichter und Denker somit notwendig geworden ist, die Erklärung der eigenen Stücke gleich mitzuliefern, aber mein Hochmut hilft über meine diesbezügliche Trauer hinweg: wer meine Werke nicht versteht, für den sind sie nicht geschrieben. Ein Gedicht ist, wie der Name ausdrückt, verdichteter Text, und wie so oft, ist die deutsche Sprache selbst der Schlüssel zum Wesen. In wenigen Strophen erzählt es eine ganze Geschichte, vermittelt dabei eine Stimmung, eine Gefühlslage. Die Kunst besteht darin, den Einklang von Wortwahl, Rhythmus und Inhalt zu finden. Als modern und sogar als wertvoll gelten heute Texte, die auf einige oder gar alle dieser Stilmittel verzichten. Ich kann mich dem nicht anschließen. Deshalb bleibt für mich das Lied vom Klassenfeind von Bert Brecht ein Stoß aus der Propagandafanfare und der Totentanz von Thomas Kling ein netter Aphorismus.
Dass bei dem Anspruchskanon, den ein Gedicht an seinen Verfasser richtet, Fehlgriffe vorkommen, vermag ich nicht zu leugnen. Insbesondere wenn man sowohl im Expressionismus als auch in der Romantik seine Vorbilder findet, ist der Weg zum Kitsch schnell beschritten. Aber unumgänglich ist er wohl, gleich wie man manch schlammigen, Fluss durchwaten muss, um zu der dahinter liegenden blühenden Wiese zu gelangen. Daher hatte ich in die erste Fassung einige schwächere Stücke aufgenommen, um den Leser an der Schwierigkeit des schöpferischen Prozesses teilhaben zu lassen. Auch, wenn man hundert Stücke krächzenden Wortgeklingels produziert: der eine große Wurf ist es wert. Für die zweite Fassung habe ich trotzdem die sieben verzichtbarsten Titel gestrichen, an ihrer Stelle vierundzwanzig neue eingestellt und außerdem einige Stücke verändert und damit, so hoffe ich, im Niveau gehoben. Dem Kundigen wird auffallen, dass die dürftigsten Ausflüsse auf dem Gebiet der Erbauung lagen und dementsprechend der Rotstift dort am meisten anzusetzen war. Ich gestehe, dass ich Schwierigkeiten habe, ungetrübte Hochstimmung zu verkünden. Der Vorwurf, keinen Hoffnungsschimmer zu erzeugen, richtete sich gelegentlich auch gegen meine im Jahr 2010 erschienene Abendbläue. Aber ich kann mich nicht aus meiner Zeit stehlen. Wir leben nun einmal in der geistigen Käseglocke eines Protektorats und nicht in der schöpferischen Freiheit eines Staates, und das Übel als solches zu benennen, ist, dialektisch gedacht, bereits der Beginn des Aufbruchs. Also: selbst, wo ich in Düsternis zu deprimieren scheine, wirken die Kräfte des Lichts. Das Ergebnis mag der Leser beurteilen. Er mag es mit den Stücken derjenigen vergleichen, die vom System zur Qualität erklärt werden, aber ich bitte darum, dabei kein Exkrement des bundesdeutschen Feuilletons zu Rate zu ziehen.
Wenn ich, lieber Leser, bis hierher Ihr Misstrauen noch nicht vollständig zerstreuen konnte, vergleichen Sie einfach den Kölner Dom mit dem Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis Kirche (oder auch der St Rochus Kirche in Düsseldorf, aus gutem Grund vom Volksmund „St. Ei“ genannt). Wenn Sie dann immer noch der Ansicht sind, in der BRD seien geistige Spannkraft und ästhetisches Empfinden zu Hause, dann ersparen Sie sich die Lektüre der Schwarzen Fackel. Ansonsten wünsche ich Ihnen viel Spaß dabei.     

 

Inhaltsverzeichnis: 

I Plädoyer

II Verachtung

  • Gegentum
  • Würdelos
  • Die fröhlichen Menschen
  • Der Feiertag
  • Liberal – total – global
  • Dresden I
  • Das Gerücht
  • Das Gewürm
  • Bittere Tränen
  • Des kleinen Bürgers großes Glück
  • Menschenrecht
  • Der Skandal
  • Der Mythos
  • Denk ich an Deutschland

III Spott 

  • Der Bürgerling
  • Düsseldorf I
  • Das tapfere Kriegerlein
  • Das Model
  • Komasaufen
  • Adolf Hitler
  • Europa
  • Medienvielfalt
  • Der Wahltag
  • Gerichtstag
  • Der Ritter vom kriechenden Gange
  • Der Gauckler
  • Globale Weihnacht
  • Weihnachtslied des Politikers
  • Vor der Staatsschutzkammer

IV Dickicht

  • Trugschluss
  • Unfindung
  • Eigentlich I
  • Eigentlich II
  • Glück
  • Freiheit
  • Helles Neonlicht
  • Der Hamster im Laufrad
  • Trennung
  • Wimpernschlag
  • Das offene Fenster
  • Zwischen den Welten

V Not

  • Blutende Heimat
  • Deutschland in Not
  • Das Minarett
  • Break Even
  • Integration?
  • Frühling Sechzehn
  • Verlornes Volk
  • Finis Germaniae
  • Der Dom zu Immerath
  • Der Dom im hellen Licht
  • Das schwarze Kreuz
  • Die Gummizelle
  • Depression
  • Untot unter lebenden Leichen
  • Der Gefallene
  • Fraß 

VI Aufbruch

  • Wetterleuchten
  • Die Fackel
  • Drehende Winde
  • Der Ungläubige
  • Glut
  • Dresden II
  • Düsseldorf II
  • In jeder Sekunde
  • Die lange Nacht
  • Schwarz Rot und Gold